Die Nacht seines Lebens - Andrej Schewtschenko lsst Tore 11FREUNDE

December 2024 · 4 minute read

Zur Halb­zeit hat der Co-Trainer gesagt: Andrej, es ist an der Zeit, das bes­sa­ra­bi­sche Tor zu öffnen!Gut. Ich werde sehen, was ich machen kann. Das mit dem bes­sa­ra­bi­schen Tor ist eine Geschichte, die weit zurück­reicht. Weiter, als Andrej Schewtschenko sich erin­nern kann. Hinter dem Tor links von der Haupt­tri­büne des Kiewer Olym­pia­sta­dions steht die Bes­sa­ra­bi­sche Markt­halle, sie ist gerade 100 Jahre alt geworden und die berühm­teste der Stadt, benannt nach der ukrai­ni­schen Pro­vinz im Süd­westen, die bis zum Zweiten Welt­krieg zu Rumä­nien gehörte. Die Legende besagt, dass schon der ukrai­ni­sche Natio­nal­trainer Oleg Blochin früher seine wich­tigsten Tore auf der Seite des Bes­sa­ra­bi­schen Marktes geschossen hat. Und Blochin sagt, schon zu seiner Jugend hätten ihm ältere Spieler erzählt … aber das führt jetzt zu weit.

Auto­gramme am Unfallort

Blochin war in den sieb­ziger Jahren einer der besten Stürmer der Welt. Spä­tes­tens am späten Mon­tag­abend hat er in Schewtschenko einen wür­digen Nach­folger gefunden. Mit diesen zwei Toren im ersten ukrai­ni­schen EM-Spiel, beide auf der bes­sa­ra­bi­schen Seite, bescherte er der Ukraine einen 2:1‑Sieg über Schweden und Kiew eine rau­schende Party. Noch tief in der Nacht wogte ein blau-gelbes Meer auf der Chres­cht­schatyk, Kiews Bum­mel­meile. Das ist so selbst­ver­ständ­lich nicht, denn in Kiew gehen am Abend schon mal des­halb früh die Lichter aus, weil die Metro schon gegen Mit­ter­nacht dicht macht. Zur EM aber fährt die U‑Bahn bis nachts um zwei, das Volk fei­erte, und Schewtschenko, der 35 Jahre alte Natio­nal­held, sprach von der Nacht seines Lebens: Wenn ich mir meine beste Nacht erträumen würde, könnte ich mir keine bes­sere vor­stellen als diese. Da spielte es auch keine Rolle, dass nach der Partie ein Gelän­de­wagen auf seinen Por­sche fuhr, als Schewtschenko an einem Fuß­gän­ger­überweg hielt. Dem Stürmer pas­sierte nichts. Und er nützte den Zwangs­halt stil­ge­recht – er schrieb Auto­gramme.

Mit Schewtschenko und der ukrai­ni­schen Natio­nal­mann­schaft ist das so eine Sache. Natür­lich ver­ehren sie ihn in der Heimat, aber das liegt mehr an seinen Ver­diensten in der Ver­gan­gen­heit, an seinen Toren und Erfolgen im Trikot des AC Milan, die auch immer Tore für die Ukraine waren. Der Fuß­baller Schewtschenko hat seine unab­hän­gige Heimat berühmt gemacht in der Welt. Dafür gebührt ihm Aner­ken­nung, und dafür haben sie ihm einen Platz gegönnt in der Natio­nal­mann­schaft. Aber ob er ihn sport­lich auch ver­dient hat, daran haben viele gezwei­felt. Zuletzt hat er bei Dynamo Kiew kaum noch gespielt. Der Rücken, das Knie, und einmal war es auch ein Golf­tur­nier, das er einer Aus­wärts­reise mit Dynamo vorzog. Schewtschenko galt in den Tagen vor der EM als bes­seres Mas­kott­chen, und wenige rech­neten ernst­haft mit seinem Ein­satz. Doch dann kam der Montag, und er machte alle Kri­tiker zu Fans.

Schewtschenko ist nicht mehr so schnell wie früher, er fällt leichter und gönnt sich län­gere Erho­lungs­pausen. Aber er hat immer noch einen feinen Sinn für die tiefste Bedeu­tung des Spiels. Er weiß immer noch, wann er den ent­schei­denden Schritt in die ent­schei­dende Rich­tung machen muss. Schewtschenko ist ein groß­ar­tiger Straf­raum­spieler, sagte Schwe­dens Trainer Erik Hamren. Er hat zwei wun­der­schöne Tore gemacht. Das war gut für ihn und schlecht für uns.

Schon in der ersten Halb­zeit hatte Schewtschenko zweimal das Füh­rungstor auf dem Fuß. Er vergab zweimal erbärm­lich, aber da spielte die Ukraine ja noch nicht auf das bes­sa­ra­bi­sche Tor. Also durfte er wei­ter­ma­chen und hielt zweimal den Kopf dorthin, wo er im ent­schei­denden Moment sein musste. Das waren keine Zufalls­tore. Beim 1:1, nur drei Minuten nach Schwe­dens Füh­rungstor durch Zlatan Ibra­hi­movic, seinen spä­teren Nach­folger bei Milan, kam er im per­fekten Augen­blick aus dem Hin­ter­grund, gesteuert von der Intui­tion, die nur großen Stür­mern zu eigen ist. Und vom Sieg­treffer erzählte Schewtschenko, dass wir diesen Zug im Trai­ning ein­stu­diert haben. Es hat per­fekt geklappt“, nach einem Eck­ball von Sergej Nas­a­renko, Schewtschenko erwischte ihn weit vorn am Tor und tippte den Ball mit der Stirn in den mini­malen Zwi­schen­raum zwi­schen Pfosten und dem schwe­di­schen Ver­tei­diger Mikael Lustig, der ver­geb­lich seinen Ober­schenkel in die Lücke schob.

Ein Sta­dion steht

Kurz vor Schluss machte der Held dieser ukrai­ni­schen Nacht Platz für ergeb­nis­si­cherndes Per­sonal, und kurz nach Schluss erlebte das Kiewer Olym­pia­sta­dion den dop­pelten Schewtschenko. Den erha­benen Staats­mann, der die Parade vor der Gegen­tri­büne abnahm. Aber auch den enthu­si­as­ti­schen Mann­schafts­spieler, der seinem Trainer um den Hals fiel. Nach dem Spiel hat Trainer Blochin erzählt: Andrej wird es mir nicht glauben, aber ich habe vor dem Spiel geträumt, dass er zwei Tore schießen wird. Natür­lich vor dem Bes­sa­ra­bi­schen Markt, wo auch sonst.

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